Hohe Heizkostenabrechnung oder was ist Wärmecontracting?

Hohe Heizkosten und Frage nach den Ursachen:

Viele Jahre waren die Heizkosten in der Pfarrsiedlung schon höher als im Durchschnitt, aber man zahlte halt die Rechnungen. Da die Preise aufgrund niedriger Gaspreise über die Jahre nicht so sehr ins Kontor schlugen, prüften die Mieter ihre Abrechnung auch gar nicht so oft. Das änderte sich erstmalig bei der Ende 2022 zugestellten Heizkostenabrechnung für 2021, als sich die Heizkosten in der Pfarrsiedlung um über 60% erhöhten. Das war in etwa dreimal so viel, wie man oberflächlich erklären konnte. Mieter der Pfarrsiedlung fingen zu dem Zeitpunkt an, Heizkostenabrechnungen und zugehörige Rechnungsbelege anzufordern. Leider konnte auch der Mieterverein dennoch in den Abrechnungen und Rechnungsbelegen selbst keine besonderen Auffälligkeiten finden und die Mieter waren wieder auf sich gestellt.

Die Zeit vergeht – die Preissteigerungen bleiben.

Ein Jahr verging und das Jahr 2022 brachte eine weitere erhebliche Erhöhung der Brennstoffkosten – eine Verdreifachung – auf über 30 Ct/kWh. Das macht von 2020 bis 2022 eine Verfünffachung von 6 auf über 30 Ct/kWh. Da reichten auch Erklärungen wie die Gaskrise durch den Ukraine-Krieg nicht mehr als glaubhafte Ursache für diese massiven Heizkostensteigerungen aus. Einzelne Haushalte in der Pfarrsiedlung sollten Nachzahlungen bis zu 7.000 Euro leisten. Die Sorgen stiegen weiter an und breiteten sich aus. Die Geschwindigkeit mit der die Heizkosten in der Pfarrsiedlung stiegen, war doppelt so hoch wie im Rest von Deutschland. Wie konnte das sein? Die Mieter forderten wieder Belege an und wieder brachten Nachfragen bei den Hausverwaltungen sowie Besprechungen mit dem Mieterverein keine Ergebnisse.

Die Heizung gehört gar nicht dem Verwalter

Bekannt war, dass in der Pfarrsiedlung ein Blockheizkraftwerk zur Wärmeerzeugung benutzt wird. Was jedoch nicht bekannt war, ist das Vertragsverhältnis zwischen Heizkraftwerkseigentümer und Hausverwaltung. Die Heizanlage gehört demnach – für die Mieter überraschend – gar nicht der Hausverwaltung. In den Abrechnungen tauchten zwar Hinweise wie „Fernwärme“ auf, aber so richtig ist die Tragweite nie einem Mieter aufgefallen. Im Normalfall ist der Vermieter für die Beheizung der Wohnungen verantwortlich, die Heizanlage ist Bestandteil des Mietvertrages. Nur durch Zufall haben wir einen Energieliefervertrag für unsere Siedlung in die Hände bekommen. Und was sich da alles offenbarte, lieferte aber nun endlich Erklärungen.

Nach Sichtung des Vertrages, der Abrechnung und durch Vergleich des Gas-Brennstoff-Preises, der durch den Contractor(Wärmelieferant) abgerechnet wurde, stellten wir fest, dass der Gaspreis durch das Wärmecontracting sehr viel stärker steigt als der Gaspreis einer gewöhnlichen Lieferung (im Vergleich mit Werten von Destatis und BDEW).

Was ist Wärmecontracting?

In einem Bild ist das zugespitzt dargestellt die obere, teurere Linie:

Das Diagramm zeigt diesen Unterschied zwischen den teuren Heizkosten beim Wärmecontracting in unserem Fall im Vergleich zur mittleren Gaspreisentwicklung sowie die Preisentwicklung

Wenn dem Vermieter die Heizungsanlage gar nicht mehr gehört und er nur Wärme einkauft, nennt man das „Wärmecontracting“ – also Wärmeverträge. Aus der Anlage, die der Vermieter sonst mit Mitteln der Kaltmiete betreiben muss (ohne die Brennstoffkosten) wird dadurch eine Kostenposition, der über die Betriebskosten abgerechnet wird. Der Mieter bezahlt jetzt die Kosten der Anlage über die Betriebskosten mit. Die eigenen Kosten des Vermieters fallen, die Mieteinnahmen meist nicht.

Die Verträge werden meist für 10 bis 15 Jahre abgeschlossen. Dabei darf beim Wärmecontracting nach der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme, kurz AVBFernwärmeV, zu Fernwärmepreisen abgerechnet werden.

Da Heizanlage und Brennstofflieferung auf einem zur Monopolbildung neigendem Markt, häufig mit langfristigen Verträgen (Laufzeit mindestens 10 Jahre) in einer Hand liegen, sind die Handlungsmöglichkeiten des Mieters und Verbrauchers stark eingeschränkt. Der Vertrag wurde dabei von der Hausverwaltung mit dem Wärmelieferanten abgeschlossen. Der Vermieter spart sich durch das Outsourcen der Heizanlage mögliche Risiken wie Instandhaltung, Reparaturen, Wartung und Modernisierung. Der Wärmelieferant kann für das Betreiben der Heizanlage und dadurch, dass er die Brennstoffe nicht zu Einkaufspreisen abrechnen muss, mit den Preisklauseln erhebliche Freiräume bei der Gewinnoptimierung nutzen.

Fernwärmepreise bei Nahwärme – Contracting macht es möglich!

Die Berechnung der Fernwärmepreise erfolgt dabei über oft recht komplizierte, durchaus arbiträr ausgestaltete Preisänderungsklauseln. Die haben wir genau unter die Lupe genommen und stellen fest, dass die Ursache eines großen Teils der massiven Preiserhöhungen – unserer Meinung nach – in der zulässigen, manchmal aber auch nicht zulässigen Gestaltung der Preisklauseln liegt.

Dabei kommen nicht ausreichend gesetzlich geregelte Preisänderungsklauseln zur Anwendung, die ein Kostenelement (für die Erzeugerpreise) und ein Marktelement (für die Verbraucherpreise) enthalten soll. Das Kostenelement soll die tatsächlichen Einkaufskosten für den Brennstoff widerspiegeln und wird dabei in unserem Fall durch einen willkürlich gewählten Börsenindex abgebildet (von der Leipziger Gasbörse). Beim sogenannten Marktelement soll korrigiert werden, wenn die Abweichungen des Anbieters vom Gesamtmarkt zu groß werden. Fällt der Marktpreis für den Brennstoff, sollte das auch ein Stück weit beim Kunden ankommen – soweit die Motivation des Marktelements. Das Ergebnis sieht mitunter anders aus.

Das Marktelement, obwohl vorgeschrieben, ist im Energieliefervertrag für die Pfarrsiedlung einfach nicht enthalten. Um die Abhängigkeiten und Ursachen der Preiserhöhungen zu evaluieren, haben wir Vergleichsrechnungen und Rechnungschecks durchgeführt, sie auf unserer Website pfarrsiedlung-berlin.de zusammenfassend dargestellt und dort die Ursachen der extremen Preissteigerungen und Nachzahlungen erklärt. Die verwendete – unserer Meinung nach unzulässige – Preisänderungsklausel führt zu Brennstoffpreisen, die z.B. 2022 doppelt so hoch sind wie durchschnittliche Brennstoffpreise (nach Vergleichswerten von BDEW oder destatis).

Published by